#1 5. August 2007 Nach einer heftigen Debatte im US-Senat ist die von der US-Regierung befürwortete Lizenz für US-Geheimdienste zum Ausspähen der internationalen Telekommunikation ohne richterliche Genehmigung im US-Kongress mit dem Segen der Demokraten ein gutes Stück vorangekommen. Die Senatoren stimmten am Freitagabend kurz vor der parlamentarischen Sommerpause mit großer Mehrheit für einen Gesetzesentwurf der Regierung von US-Präsident George W. Bush. Dieser sieht vor, dass generell kein Richtervorbehalt für das Abhören von Telefonaten und E-Mails durch die National Security Agency (NSA) erforderlich ist. Einzige Bedingung für die umstrittenen Bespitzelungen: "Vernünftige" Anhaltspunkte müssen darauf hindeuten, dass sich das Überwachungsziel außerhalb der USA befindet. Damit soll der gänzlich unkontrollierte Eingriff in die Grundrechte von US-Bürgern verhindert werden, gegen den sich die Demokraten hauptsächlich stemmten. Entsprechende Telekommunikationsüberwachungen anordnen können sollen der US-Justizminister und der Chef der obersten US-Geheimdienstbehörde, Mike McConnell. Nur bei besonderen Überwachungsaktivitäten wollen die Senatoren vorab das für Geheimdienstfragen zuständige US-Sondergericht, den Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC), mit einbeziehen. Die im US-Kongress die Mehrheit innehabenden Demokraten hatten sich dagegen zum Großteil zunächst für einen Ansatz ausgesprochen, der den Nachrichtendiensten nur eine "gewisse aggregierte Ansammlung" ausländischer Aufklärungsinformationen gestatten und das FISC stärker einbeziehen sollte. Bush drohte allerdings, sein Präsidentenveto gegen derlei Einschränkungen einzulegen. McConnell spielte als Director of National Intelligence eine schillernde Rolle in der Abschlussdiskussion. Den Demokraten hatte der Geheimdienstkoordinator nach deren Angaben zunächst erklärt, mit ihrem Korrekturvorschlägen am Vorhaben des Weißen Hauses leben zu können. Der republikanische Senator Christopher Bond, der den Gesetzesentwurf der US-Regierung mit ins Parlament eingebracht hatte, las dann aber in einer ungewöhnlichen Aktion aus einer ihm zugeleiteten E-Mail McConnells vor, in der dieser auf die Dringlichkeit der Verabschiedung des Regierungsvorhabens verwiesen haben soll. Große Besorgnis in Geheimdienstkreisen und bei den Republikanern hatten zuvor Berichte über ein Urteil des FISC ausgelöst, demzufolge künftig neben Schnüffelaktionen gegen US-Bürger auch die Bespitzelung der Kommunikation ausländischer Terrorverdächtiger einer richterlichen Genehmigung bedürfe, wenn diese über die USA geleitet wird. Demnach soll der auf Grundlage des Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) agierende Sondergerichtshof den pauschalen Antrag der US-Regierung auf einen ganzen Korb voller Überwachungsbegehren mit unterschiedlichen, nicht näher spezifizierten Abhörzielen zurückgewiesen haben. Bond zeigte sich nach der Abstimmung erleichtert. "Ich kann heute Nacht nun wieder etwas sicherer schlafen", zitieren ihn US-Medien. "Meine republikanischen Kollegen haben beschlossen, einen fehlerhaften Regierungsentwurf durchzuwinken, der die im Licht der vergangenen schlechten Anwendung von Schlüsselwerkzeugen im Krieg gegen den Terror geforderten Rechenschaftspflichten nicht enthält", beklagte dagegen der Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, Harry Reid. Auch siebzehn seiner Parteikollegen unter der Führung von Senator Joseph Lieberman stimmten aber für die Fortschreibung des von Bush nach dem 11. September 2001 in Eigenregie angeordneten Bespitzelungsprogramms. "Wir befinden uns im Krieg", erklärte Lieberman während der Sitzung zur Begründung. "Die Feinde wollen uns angreifen." Dies sei nicht die Zeit, nach einer "perfekten" Gesetzgebung zu streben. Bürgerrechtsgruppen warfen den Demokraten einen Ausverkauf ihrer eigenen Ziele vor. Diese hätten "einen Pawlowschen Reflex: Immer, wenn der Präsident das Wort Terrorismus in den Mund nimmt, fallen sie um und stellen sich tot", monierte eine Sprecherin der American Civil Liberties Union. Ein Justiziar des Center for Democracy and Technology warnte, dass sich auch US-Bürger mit der Verabschiedung des Gesetzesentwurfs darauf verlassen könnten, "dass die NSA mithört". Das Papier soll am heutigen Samstag nun noch abschließend vom US-Repräsentantenhaus behandelt werden. Auch hier hat Bush bereits Druck gemacht: Er wolle rasch eine unterschriftsreife Gesetzesvorlage, stellte er klar. Andernfalls würde die Sommerpause für die Abgeordneten gestrichen. (Stefan Krempl) / (bo/c't) Quelle:http://www.heise.de/newsticker/meldung/93854 + Multi-Zitat Zitieren