Videoüberwachung: Wahn vs. Wissen

Dieses Thema im Forum "Netzwelt" wurde erstellt von zwa3hnn, 7. September 2006 .

  1. 7. September 2006
    Einer der seltenen Fälle, dass wissenschaftlich aussagekräftige und verläßliche Daten zu den oft unreflektiert propagierten positiven Folgen der Videoüberwachung vorliegen, wird in den Medien weitgehend ignoriert. Verläßliche Fakten darüber, dass der Überwachungswahn allenfalls die Illusion vergrößerter Sicherheit schafft, möchte in Deutschland kaum jemand lesen, geschweige denn verbreiten.

    Abgesehen beispielsweise von Patrick Breyer, der sich die Mühe machte, die Ergebnisse einer britischen Studie zu übersetzen, die die weitgehende Sinnlosigkeit der Überwachung des öffentlichen Raums belegt. Über einen Zeitraum von vier Jahren wurde die Studie durchgeführt, in der 13 Videoüberwachungssysteme unter anderem in Ortszentren, Stadtzentren, Parkplätzen, Krankenhaus- und Wohngebieten untersucht wurden. Fragestellung: die Auswirkungen der Videoüberwachung auf die Kriminalität und auf die Kriminalitätsangst der Bürger.

    Das desillusionierende Ergebnis: statistisch signifikantes Fallen der Kriminalitätsrate konnte nur bei einer der Überwachungsmaßnahmen festgestellt werden - auf einem Großparkplatz, auf dem es häufiger zu Sachbeschädigungen an geparkten Fahrzeugen kam. Nicht einmal in dem Fall wogen verhinderte Schäden die Kosten der Überwachung auf:

    "Setzt man die Anzahl der insgesamt verhinderten Straftaten in Relation zu den Kosten aller 13 Überwachungssysteme, ergeben sich Kosten von 9.000 Euro pro verhinderter Straftat. Betrachtet man nur die Überwachung des Großparkplatzes, so kostete jede verhinderte Straftat 2.000 Euro. Die Verminderung der Kriminalitätsangst um einen Prozentpunkt kostete 3.000 Euro. Berücksichtigt man die durchschnittliche Schadenshöhe in Fällen von Diebstahl von und aus Kraftfahrzeugen, so wiegen die durch Videoüberwachung verhinderten Schäden die Kosten der Überwachung nur zu 67% auf. Auf dem überwachten Großparkplatz wäre es erheblich kostengünstiger, Diebstahlsschäden zu versichern als sie zu verhindern."

    Besorgniserregender jedoch die Haltung der zu den Überwachungen befragten Bürgern. Während oftmals angenommen wird, dass wenigstens das Sicherheitsgefühl der überwachten Bürger steigt, entfiel dieser Effekt in der Studie: das Sicherheitsgefühl änderte sich nach Installation der Kameras nicht.

    Vollends paradox wird die Haltung der Bürger dann in Bezug auf die Zustimmung bzw. der Ablehnung der Kameras. Im Vorfeld einer Kamerainstallation glauben 80% der befragten Bürger an eine Senkung der Kriminalitätsrate. Nach der Installation glauben noch 45% an diese Senkung, die Zahl derer, die schnellere Reaktionen der Polizei erwarten, fiel von 56% auf 35%.

    "Insgesamt stellt die Studie eine Desillusionierung der Menschen nach Installation der Kameras fest", so die Zusammenfassung. Was die fortdauernde Zustimmung vollends unverständlich macht: "Unverändert 70% der Befragten begrüßten die Videoüberwachung. Etwa 15% äußerten Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Bürgerrechte."

    Ein erstaunliches Resultat: die Bürger sind offenbar gerne bereit, für nutzlose Maßnahmen zu bezahlen, an deren Effektivität sie - zurecht - zweifeln.

    Breyer schlussfolgert:

    "Es fragt sich, wie sich die Öffentlichkeit und die Politik davon überzeugen lassen, auf das ineffiziente und für die Privatsphäre abträgliche Instrument der Videoüberwachung zu verzichten, obwohl es in einzelnen Fällen immer wieder Nutzen entfaltet. Der Schlüssel zu diesem Problem dürfte darin liegen, eine alternative Verwendung der für eine Videoüberwachung erforderlichen Mittel anzubieten. Es muss sich um Alternativprojekte handeln, die ebenso erfolgreich oder erfolgreicher bei der Kriminalitätsbekämpfung sind. Beispielsweise kommt die gezielte Arbeit mit kriminalitätsgefährdeten Personen oder Projekte zur gemeinsamen Verbesserung der Wohnqualität in bestimmten Gegenden in Betracht."

    Ob man mit Aufklärung und Fakten jedoch der fortgesetzten Propagierung des Überwachungswahns begegnen kann? Der hessische Innenmimister Volker Bouffier wurde jedenfalls gestern mit den folgenden Worten zitiert:

    "Gerade die jüngsten Ereignisse in Deutschland haben deutlich gemacht, dass die Videoüberwachung ein höchst effektives Mittel zur Vorbeugung von Straftaten und zur Strafverfolgung ist. Deshalb werden die Innenminister von CDU und CSU am Donnerstag bei ihrem Treffen in Mecklenburg-Vorpommern intensiv darüber beraten, wie die Videoüberwachung als wichtiges Sicherheitswerkzeug noch intensiver eingesetzt werden kann".

    Dass er die britische Studie zur Kenntnis nehmen will, kann man getrost bezweifeln.


    quelle: gulli untergrund news
     
  2. 7. September 2006
    AW: Videoüberwachung: Wahn vs. Wissen

    Es ist immer wieder erstaunlich, was man bewirken kann, wenn man Menschen Angst macht. Das hinterfragen der Maßnahmen fällt in der durchschnittlichen Bevölkerung, leider viel zu oft unter den Teppich. Man denke an den Afghanistan Krieg. Fast die gesammte Bevölkerung, stand hinter der im entefekt völlig nutzlosen Politik von George W Bush. Der kampf gegen den Terror - eine große Propagandashow um an etwas Öl zu kommen.
    Ich frag mich ob die Leute wirklich so kontroliert werden wollen, oder ob sie nicht einfach null in der lage sind diesen Aspekt zu erkennen.
    Warum lassen sie nich in ihrem Schlafzimmer Kammeras anbringen, und diese von der Polizei kontrolieren. Ich meine dort verbringt man die meiste Zeit und schläft. Da würde ich sagen da ist man am angreifbarsten.
    Abgesehn davon in Bezug auf die vereitelten Bombenanschläge an den Deutschen Bahnhöfen. Da waren die Videoaufnahmen doch völlig nutzlos. Man war in der lage im nachhinein herauszufinden wer auf den Bildern die Täter waren, gebracht hat das gar nichts.
    Es ist einfach nur ein Heidenglück, das die Täter zu dumm waren eine Bombe zu baun. Es ist leider nicht so das solche Leute rote Mützen aufsetzen wenn sie was in die Luft sprengen wollen. Somit kann man leider mit Videoüberwachung auch kaum jemanden erkennen wenn er solch ein Vorhaben hat.
    Mal ehrlich wäre euch einer von den beiden Leuten auf den Videos aufgefallen?
    Das ist meiner Meinung nach ienfach nur Sinnlos.

    lg
     
  3. 9. September 2006
    AW: Videoüberwachung: Wahn vs. Wissen

    Bürgerrechtsgruppen rufen für den 20. Oktober zu einer weiteren Kundgebung gegen den "Sicherheits- und Überwachungswahn" in Bielefeld auf. Sie wollen mit der Demonstration vor der Verleihung der Big Brother Awards 2006 ein Zeichen für den Erhalt der Grundrechte auch in Zeiten der verstärkten Terrorismusbekämpfung setzen. "Nach den fehlgeschlagenen "Kofferbombenanschlägen" in Deutschland stehen weiter verschärfte Sicherheits- und Überwachungsbefugnisse auf der politischen Agenda", warnen die Organisatoren. Dabei bewirkt die zunehmende elektronische Erfassung und Überwachung der gesamten Bevölkerung ihrer Ansicht nach keinen verbesserten Schutz vor Kriminalität. Sie koste aber Millionen von Euro und gefährde die Privatsphäre Unschuldiger.

    "Staat und Unternehmen registrieren, überwachen und kontrollieren uns immer vollständiger", heißt es in dem Aufruf für die Protestaktion weiter. "Egal, was wir tun, mit wem wir sprechen oder telefonieren, wohin wir uns bewegen oder fahren, mit wem wir befreundet sind, wofür wir uns interessieren, in welchen Gruppen wir engagiert sind * der 'große Bruder' Staat und die 'kleinen Brüder' aus der Wirtschaft wissen es immer genauer." Doch wo Angst und Aktionismus regiertn, blieben gezielte und nachhaltige Maßnahmen zur Stärkung der Sicherheit auf der Strecke. Vernachlässigt würde auch ein Angehen der wirklichen, alltäglichen Probleme der Menschen wie Arbeitslosigkeit oder Armut. Wer sich ständig überwacht und beobachtet fühle, könne sich ferner nicht mehr unbefangen und mutig für seine Rechte und eine gerechte Gesellschaft einsetzen. Es entstehe allmählich eine unkritische Konsumgesellschaft von Menschen, die "nichts zu verbergen" haben und dem Staat gegenüber * zur vermeintlichen Gewährleistung totaler Sicherheit * ihre Freiheitsrechte aufgeben.

    Mitte Juni waren zum ersten Mal rund 250 besorgte Bürger in Berlin auf die Straße gegangen, um gegen die zunehmende Rundum-Überwachung zu protestieren. Anstoßgeber in beiden Fällen: die Initiative gegen die Vorratsdatenspeicherung. Sie setzt sich vor allem gegen die verdachtsunabhängige sechs- bis 24-monatige Überwachung der elektronischen Spuren der 450 Millionen EU-Bürger ein. Dazu hat Brüssel die Telekommunikationsanbieter in der EU im Rahmen einer umstrittenen Richtlinie verpflichtet. Unterstützer der Demonstration sind außerdem der Chaos Computer Club (CCC), das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF), die Datenschutzvereine FoeBuD und STOP1984, das Netzwerk Neue Medien, die Humanistische Union sowie der Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft (Fitug).

    Die Demo-Veranstalter fordern neben einem Nein der Politik zur "Totalprotokollierung" der Telekommunikation einen Stopp der Videoüberwachung des öffentlichen Raums und einen Verzicht auf eine automatische Gesichtskontrolle in diesem Zusammenhang sowie den Stopp von Biometrie und RFID-Chips in Ausweisen und Pässen. Ferner wenden sie sich gegen eine Aufzeichnung des Flugreiseverkehrs und einen automatischen Kfz-Kennzeichenabgleich auf öffentlichen Straßen. Weiter plädieren sie dafür, aller seit 1968 beschlossenen Überwachungsgesetze auf ihre Effektivität und schädlichen Nebenwirkungen hin unabhängig überprüfen zu lassen. Neue Anläufe für Kontrollgesetze sollen sofort beendet werden. Treffpunkt für die Veranstaltung, die unter dem Motto "Freiheit statt Angst" steht, ist an der Westseite des Bielefelder Bahnhofs um 15 Uhr. (Stefan Krempl). (je/c't)

    Quelle: heise online - IT-News, Nachrichten und Hintergründe
     
  4. 9. September 2006
    AW: Videoüberwachung: Wahn vs. Wissen

    Freiheit stirbt mit Sicherheit. Darüber sollten einige Leute mal nachdenken, die immer und überall mehr Videoüberwachung fordern. Der Mensch wird durch zunehmende Überwachung (ich fühle mich jetzt schon wie im Buch "1984") in allen Bereichen des Lebens zum "gläsernen Bürger".
     
  5. Video Script

    Videos zum Themenbereich

    * gefundene Videos auf YouTube, anhand der Überschrift.