#1 8. November 2007 Mit einem eindringlichen Appell für eine Reform des Urheberrechts ist in Berlin am heutigen Donnerstag die Web 2.0-Expo zu Ende gegangen. Auf der viertägigen Konferenz tauschten sich zirka 1500 Unternehmer, Entwickler und Berater über aktuelle Entwicklungen im Internet aus. Der US-Schriftsteller und Blogger Cory Doctorow forderte die Teilnehmer der Veranstaltung auf, sich für eine Reform des Urheberrechts einzusetzen und so auch Einfluss auf die Gesetzgebung in den USA zu nehmen. Die aktuelle Urheberrechts-Situation beschrieb der Autor und ehemalige Aktivist der Electronic Frontier Foundation (EFF) drastisch: er zog einen Vergleich zu den "Gedankenverbrechen" aus Orwells Roman "1984". Die gleiche Technik könne legal oder illegal sein – je nachdem, ob dem Urheber eine potenziell rechtsverletzende Nutzung bewusst sei. Die Gängelung der Kunden durch neue Kopierschutz-Techniken wie Broadcast Flags sei absurd: "In den Zeiten von VHS brauchte man auch keine explizite Erlaubnis, um einen Paramount-Film auf einem Videorekorder von Toshiba abzuspielen", erklärte Doctorow. Die britische Rundfunkanstalt BBC forderte er auf, ihren ganzen Einfluss geltend zu machen, um die Kriminalisierung alltäglichen Verhaltens rückgängig zu machen. Wenn die Rundfunkanstalt von Rechteinhabern unter Druck gesetzt werde, die Verfügbarkeit der TV-Inhalte im Internet einzuschränken, solle die BBC gemäß ihrem Auftrag auch die Belange der Öffentlichkeit vertreten. "Schaut den Rechteinhabern in die Augen – und hofft, dass sie zuerst blinzeln." Dass die Unterhaltungsindustrie zurückstecken wird, hält Doctorow für möglich: so sei es der BBC auch gelungen, die unverschlüsselte Verbreitung des eigenen Programms per Satellit gegen die Rechteinhaber durchzusetzen. Thema der Konferenz waren neben generellen Fragen aber auch die vielen kleinen Startup-Unternehmen, die auf der Konferenz Unterstützung durch Know-How und Kapitalgeber suchten. Dabei wünschen sich die Kapitalgeber aber "mehr Hacker und weniger MBAs", wie Reshma Sohoni vom Gründer-Netzwerk Seedcamp erklärte. Unter anderem stellte das Schweizer Unternehmen Wuala seinen Internet-Storage-Dienst vor, der im Gegensatz zu etablierten Angeboten auf einem P2P-Netz aufbaut. Die Daten sollen nach den Plänen des Unternehmens auf Privatrechnern deponiert werden. Dank eines ausgefeilten Netzwerk-Protokolls werden Datenfragmente unter den Nutzern des Dienstes verteilt, so dass sie bei Bedarf wieder aus dem Internet heruntergeladen werden können. Die Daten sind verschlüsselt, über die Freigabe der Schlüssel können die Daten aber auch von bestimmten Nutzer-Gruppen oder gar von allen Internet-Nutzern abgerufen werden. Rechtliche Probleme sehen die Schweizer nicht: Das Netzwerk solle zum Speichern von privaten Daten genutzt werden, nicht um illegale Kopien zu verbreiten. Ein anonymes Veröffentlichen ist in dem Konzept nicht vorgesehen. (Torsten Kleinz) / (vbr/c't) Quelle:http://www.heise.de/newsticker/meldung/98691 + Multi-Zitat Zitieren