WHO: Spielsucht am Computer als Krankheit anerkannt

Artikel von Carla Columna am 19. Juni 2018 um 12:23 Uhr im Forum PC & Konsolen Spiele - Kategorie: Games

WHO: Spielsucht am Computer als Krankheit anerkannt

19. Juni 2018     Kategorie: Games
Die "Gaming Disorder", also die Sucht nach Computerspielen, ist nun von der WHO als eigenständige Diagnose anerkannt. Sie bezieht sich auf Internet- und Videospiele. Die neue Einstufung der "Welt Gesundheit Organisation" könne dabei helfen, dass eine Abhängigkeit eher erkannt werde, meinen Experten - warnen aber zugleich vor Panik. So ist ein Suchtverhalten zu Computerspielen eher selten, hingegen andere durch intensiven Online Konsum verursachte Krankheiten deutlich häufiger.

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Onlinespielsucht ist kein neues Phänomen, schon vor knapp 20 Jahren hat Franz Eidenbenz (Züricher Psychologe und Psychotherapeut) Abhängige von Computer- und Video-Spielen beraten. "Als ich damals die ersten Süchtigen gesehen habe, habe ich mich selber gefragt: Ist das ein reales Problem oder denkt man das nur?"

„Videospielen ist vom psychologischen Standpunkt eine Art Glücksspiel ohne Geld“, erklärt der Experte. Beim Glücksspiel zähle das Geld, bei Video- oder Online-Spielen zählten die Punkte. Wirklich spielsüchtig sind seiner Schätzung nach nur die wenigsten, anders beim klassischem Glückspiel, wie Wetten um Geld bei unzähligen Buchmachern gerade wieder jetzt zur WM liegt der Anteil an Spielsucht erkrankten bei rund 1-3% Prozent. Schätzungen zu folge sind über eine halbe Million Menschen in Deutschland betroffen. Der Anteil an Video-Spielsucht liegt dagegen vermutlich unter einem Prozent. Bei vielen Spielern vermuten Experten allerdings zugrundeliegende andere gesundheitliche Probleme wie Depressionen, manisch-depressive Erkrankungen oder autistische Störungen. Bei WHO-Fachmann Saxena liegt der geschätzte Anteil der krankhaften Spielsucht schon etwas höher: Er geht von zwei bis drei Prozent der Spieler aus. Eltern und Freunde von Dauer-Daddlern sollten immer aufmerksam bleiben.


Echte Abhängigkeit möglich
Mittlerweile jedoch ist dem Leiter der Behandlung im Zentrum für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte in Zürich eindeutig klar: Während die meisten Online-Spieler keine Probleme entwickeln, wenn sie in die fazsinierenden, virtuellen Spielwelten abtauchen, so gibt es dennoch einen Kreis von Personen, die eine echte Abhängigkeit entwickeln: "Sie konsumieren das in einer exzessiven Weise - so, dass es offensichtliche negative Auswirkungen auf ihr persönliches Leben hat."

34 Millionen Deutsche spielen Videospiele
Rund 34 Millionen Deutsche spielen Computer oder Videospiele, nur ein verschwindend kleiner Teil spielt exzessiv. Die meisten von ihnen sind nicht abhängig. Doch Angehörige sollten aufmerksam werden, wenn die virtuelle Welt den Spielern so wichtig wird, dass sie Familie und Freunde vernachlässigen, ebenso Schule, Ausbildung oder die Arbeit, erklärt Vladimir Poznyak vom Programm Suchtmittelmissbrauch der Weltgesundheitsorganisation (WHO):

"Es kann andere negative Folgen für die Gesundheit haben, eine Störung des Schlafverhaltens und auch der körperliche Aktivität - normalerweise ist das Spielverhalten mit einem sehr geringen Maß an körperlicher Aktivität verbunden - und auch in Bezug auf die Ernährung."

"Bedarf an Behandlung"
Die WHO nimmt die Online-Spielsucht jetzt in die Internationale Klassifikation der Krankheiten auf. Sie erkennt sie also als eigene Krankheit an - so WHO-Experte Poznyak:

"Der Hauptgrund dafür sind nicht nur die vorliegenden wissenschaftlichen Beweise, sondern auch der Bedarf an Behandlung und die Forderung nach einer Anerkennung seitens der behandelnden Mediziner, die sich davon erhoffen, dass die Forschung verstärkt wird, dass vorbeugende Maßnahmen durchgeführt werden können und dass man sich mehr mit den gesundheitlichen Folgen dieser Sucht befasst."

Online-Spiele nicht verteufeln
Es gibt auch Stimmen, die warnen: Durch die Entscheidung der WHO, die Onlinespielsucht als Krankheit einzustufen, könnten Spieler grundlos als therapiebedürftig stigmatisiert werden. Doch Psychotherapeut Eidenbenz begrüßt den Schritt. Er sei im Sinne der Abhängigen und ihrer Angehörigen:

"Es ist ja auch eine gewisse Entlastung für Eltern oder Betroffene selber, dass von außen auch erkannt wird, das wirklich eine Sucht ist. Und man kann nicht einfach sagen, hör doch einfach auf und dann ist das Problem gelöst."

Für eine Behandlung der Abhängigen brauche es Profis. Gleichzeitig warnt der Suchtexperte davor, die Online-Spiele grundsätzlich zu verteufeln. Man könne als Spieler einiges lernen, etwa strategisches Denken oder Zusammenarbeit in der Gruppe.

Eltern sollten sich von der neuen Kategorisierung nicht beunruhigen lassen, sagt die Sprecherin der britischen Psychologischen Gesellschaft. „Es muss klar sein, dass dies nicht bedeutet, dass jedes Kind, das stundenlang in seinem Zimmer daddelt, abhängig ist“, sagt sie. „Sonst können sich unsere Ärzte ja gar nicht mehr vor Hilferufen retten.“
 

Kommentare

#2 20. Juni 2018
Das Anerkennen der Gaming Disorder im ICD-11 ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Es gibt aber auch noch andere Arten im Bezug auf Medienabhängigkeit. Gerade deswegen ist mehr Forschung auf diesem Gebiet notwendig.

Warum in dem Artikel jetzt unbedingt noch Werbung für eine Wettseite gemacht werden muss, verstehe ich auch nicht und ist ein bisschen makaber.