#1 5. Januar 2008 Ist man bald beim Surfen oder Telefonieren nie mehr vor staatlichen Datenschnüfflern sicher? Das sieht das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung vor. Doch es gibt Auswege - wenn sie auch nicht immer einfach sind. Vorratsdatenspeicherung - dieses Wort löst bei Datenschützern in aller Regel großes Unbehagen, wenn nicht gar Wut aus. Sie sehen mit der neuen Regelung zur Speicherung der Verbindungsdaten von Telefon und Internet das Grundrecht der Bürger auf anonyme Kommunikation in Gefahr. Ob E-Mails-Schreiben, Chatten oder Telefonieren - nirgendwo ist man vor dem Zugriff des Staates sicher, wie Ricardo Cristof Remmert-Fontes vom "Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung" die Folgen des neuen Gesetzes bewertet. Dies fange schon beim bloßen Telefonieren an. "Um sich wirkungsvoll zu schützen, bräuchte man ein halbes Dutzend nicht registrierter SIM-Karten fürs Handy oder müsste ständig in eine Telefonzelle gehen", sagt Remmert-Fontes. Allenfalls könne man in Zukunft auf Internet-Telefonie (VoIP) setzen. "Einen umfassenden Schutz gibt es aber auch hier nicht", erklärt der Fachmann. Bereits jetzt werden von Telekommunikationsunternehmen für die Rechnung relevante Daten wie gewählte Rufnummern oder Anrufzeiten für einen bestimmten Zeitraum gespeichert. Jeder Kunde hat aber bislang das Recht, von seinem Anbieter die Löschung dieser Daten zu verlangen, sobald die Rechnung verschickt wird. Künftig müssen die Unternehmen bis zu sechs Monate lang festhalten, wer wann mit wem und wie lange telefoniert hat. Inhalte werden nicht gespeichert Zusätzlich wird bei Mobilfunkgesprächen auch der Standort gespeichert. Dem Gesetz zufolge, das eine EU-Richtlinie umsetzt, dürfen aber keine Daten gesichert werden, die einen Rückschluss auf den Inhalt zulassen. Zugriff auf die gespeicherten Daten haben Polizei und Staatsanwaltschaft nur auf richterlichen Beschluss. Bei Internetverbindungen ergeben sich Änderungen spätestens ab 2009: Auch hier sollen die sogenannten Verkehrsdaten gespeichert werden. Das Telekommunikationsunternehmen speichert dann also, dass eine bestimmte dem Nutzer zugewiesene Internetprotokoll-Adresse (IP) zu einem bestimmten Zeitpunkt online war, nicht aber welche Seiten besucht wurden oder Inhalte einer E-Mail. Keine Chance für Cookies Sich anonym im Internet zu bewegen, wird für Bürger mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung nach Ansicht der Datenschützer schwieriger. Auch wenn große Anbieter einer Stichprobe des Computer-Magazins "ct" (Januarausgabe) zufolge eine Umsetzung erst im Laufe des Jahres in Angriff nehmen wollen, müssen Internetnutzer, die sich möglichst anonym im Netz bewegen wollen, fortan einige Anstrengen unternehmen. Dazu gehört nach Einschätzung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung unter anderem, sich gegenüber seinem Anbieter erst gar nicht zu identifizieren. Im Mobilfunk ist dies etwa über Prepaid-Karten möglich. Im Internet sollte man demnach jede unnötige Eingabe persönlicher Daten vermeiden, sich aber wenn nicht anders möglich rasch wieder abmelden. Der Internetbrowser sollte außerdem so eingestellt werden, dass er Cookies bei jedem Neustart löscht. Mit solchen Cookies werden Informationen auf dem Computer hinterlegt, die später wieder aufgerufen werden können, um etwa bestimmte Nutzerprofile gleich zur Verfügung zu stellen. Anonymisierungsdienste verwenden Darüber hinaus empfiehlt der Arbeitskreis, Anonymisierungsdienste zu verwenden. Solche Anbieter verhindern, dass Webseiten die vom Internetsurfer genutzte IP-Adresse speichern können. "Das Problem ist aber, dass das Surfen dadurch derzeit noch sehr langsam wird", erklärt Ricardo Cristof Remmert-Fontes. Als Beispiele nennt der Arbeitskreis Dienste wie " Tor" oder " Jap". Problematisch wird in Zukunft zumindest für deutsche Anonymisierungsdienste, dass ab 2009 auch sie unter das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung fallen. Sie müssen dann auch speichern, welcher Nutzer welche IP-Adresse hat. Diese Einschränkung endet aber schon an der Grenze: Im Ausland stehende Server fallen nicht unter die deutsche Regelung. Remmert-Fontes rät zudem davon ab, über solche Netzwerke unverschlüsselte Daten zu schicken. Denn auch hier gibt es nach seiner Einschätzung schwarze Schafe, die es auf Bankdaten oder andere persönliche Angaben abgesehen haben. Bei E-Mails empfiehlt er die Benutzung von "Remailern". Dabei werden Mails über ein Webeingabeformular ohne den ursprünglichen Absender versendet - bekannt ist in aller Regel lediglich die Serveradresse. Darüber hinaus gibt es Verschlüsselungssoftware, über die aber auch der Empfänger verfügen muss, um den Inhalt lesen zu können. "Dabei besteht aber auch das Problem, dass nicht verschleiert werden kann, wer mit wem Kontakt hatte", beklagt Remmert-Fontes. Quelle [Spiegel.de] + Multi-Zitat Zitieren