Wie weit darf Meinungsfreiheit am Arbeitsplatz gehen?

Artikel von Tommy Weber am 13. August 2022 um 12:16 Uhr im Forum Politik, Umwelt, Gesellschaft - Kategorie: Politik & Recht

Wie weit darf Meinungsfreiheit am Arbeitsplatz gehen?

13. August 2022     Kategorie: Politik & Recht
Die Zeiten sind unruhig und viele Menschen beunruhigt. Corona, der Krieg in der Ukraine, Migration und die Verteuerung vieler Lebensmittel – es gibt viele Themen, worüber auch am Arbeitsplatz diskutiert wird. Wie viel Meinung ist aber am Arbeitsplatz erlaubt? Was dürfen Arbeitnehmer sagen und was nicht? Was stört den Betriebsfrieden und welche Mittel darf der Arbeitgeber anwenden, falls die Gemüter vielleicht zu stark erhitzt sind? Zwischen den Kollegen, aber vor allem zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern hat sich inzwischen ein gewisses Misstrauen gebildet, wenn es um die Meinungsfreiheit am Arbeitsplatz geht.

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Die Meinungsfreiheit gilt überall
Im Grundgesetz ist die Meinungsfreiheit jedes einzelnen Bürgers manifestiert und garantiert. Dies gilt natürlich auch am Arbeitsplatz. Jeder Arbeitgeber muss die politischen Diskussionen unter den Mitarbeitern hinnehmen. Wenn ihm die politischen Ansichten und die Diskussionen aber nicht gefallen, muss der Arbeitgeber sehr gute Gründe anführen, um die politischen Statements und die Diskussionen zu unterbinden. In der Rechtsprechung sind nur grobe Leitfäden zu finden, bis zu welchem Punkt die Meinungsfreiheit in einem Unternehmen reichen darf. Grundsätzlich untersagt sind jedoch Diskussionen, die auf Kosten der Arbeitszeit gehen, diskutiert werden darf in den Pausen.

Der Arbeitgeber darf ebenfalls einschreiten, wenn ein Mitarbeiter in erster Linie nur darauf aus ist, Beleidigungen auszusprechen. So etwas gilt insbesondere für vulgäre Ausdrücke, die als Beleidigung angesehen werden.

Welche Rolle spielt der Betriebsfrieden?
Eine sehr wichtige Rolle spielt hierbei der sogenannte Betriebsfrieden. Jeder Arbeitgeber hat ein geschütztes Interesse daran, dass seine Mitarbeiter frei von Konflikten und vor allem immer produktiv zusammenarbeiten. Gibt es ganz gezielt provokante Meinungsäußerungen, dann können diese den Betriebsfrieden stören. Die Mitarbeiter müssen dementsprechend Rücksicht nehmen, damit sie mit ihren Äußerungen zu politischen Themen die Kollegen nicht stören. Ein konkretes Beispiel ist, wenn ein Kollege vor dem Hintergrund der Krise zwischen der Ukraine und Russland ein Shirt trägt, was die russische Flagge zeigt. Fühlt sich ein Mitarbeiter, der aus der Ukraine stammt, von diesem Anblick provoziert, dann kann der Arbeitgeber verlangen, dass das Shirt gewechselt wird. Darüber hinaus hat er auch das Recht, den Mitarbeiter zu verwarnen und ihm weitere Provokationen verbieten.

Mit welchen Konsequenzen müssen Arbeitnehmer rechnen?
Wenn Mitarbeiter bestimmte Grenzen bewusst überschreiten, kann der Arbeitgeber sie schriftlich abmahnen. Sollte es zu einem weiteren Zwischenfall dieser Art kommen, kann er dem Mitarbeiter sogar kündigen. Der Arbeitgeber darf allerdings nur bei wirklich gravierenden Ausnahmefällen auf eine vorherige Abmahnung verzichten und gleich die Kündigung aussprechen. In diesen Fällen handelt es sich in der Regel um eine fristlose Kündigung. Dies war nicht immer so, denn es gab einen Fall, der 1982 vor dem Bundesarbeitsgericht verhandelt wurde.

Hier hatte ein Arbeitnehmer einen Sticker mit der Aufschrift „Strauß – nein danke“ getragen und dafür die fristlose Kündigung bekommen. Das Gericht gab dem Arbeitgeber recht. In der heutigen Zeit ist es wahrscheinlich, dass ein Gericht anders urteilen würde, heute wird weniger streng entschieden.

Die Freizeit geht den Arbeitgeber nichts an
Alle, die sich außerhalb des Arbeitsplatzes in ihrer Freizeit politisch äußern, können dies fast unbehelligt tun. Eine Ausnahme gibt es aber, und zwar, wenn durch die Äußerungen die betrieblichen Interessen berührt werden. Eine weitere Ausnahme ist es, wenn durch eine politische Meinung ein direkter Bezug zu einem Arbeitnehmer hergestellt werden kann. In der Vergangenheit haben Gerichte in Deutschland schon mehrfach fristlose Kündigungen bestätigt, bei denen es um fremdenfeindliche Äußerungen in den sozialen Netzwerken ging.

Den Arbeitnehmern, die daran beteiligt waren, haben nicht mehr daran gedacht, dass sie sich als Mitarbeiter eines bestimmten Unternehmens zu erkennen gegeben haben. Grundsätzlich gilt aber, dass Maßnahmen auf arbeitsrechtlichem Sektor nur in Betracht kommen, wenn politische Meinungen den Betriebsfrieden stören oder das Ansehen des Unternehmens schädigen. Alle, die sich innerhalb eines demokratischen Meinungsspektrums befinden, haben nichts zu befürchten.

Welche Rolle spielen die sozialen Netzwerke?
Die sozialen Netzwerke wie Facebook oder Instagram spielen eine immer größere Rolle, wenn es um die Meinungsfreiheit am Arbeitsplatz geht. So hatte ein VW-Mitarbeiter, der in seiner Freizeit einer mutmaßlich rechtsextremen Organisation angehört, während seines Urlaubs die sogenannte Reichskriegsflagge gezeigt. Volkswagen kündigte dem Mann daraufhin fristlos. Der Mitarbeiter ließ sich das jedoch nicht gefallen und zog vor Gericht. Das Landesarbeitsgericht in Niedersachsen erklärte die Kündigung schließlich für unwirksam, da der Mitarbeiter seinen Arbeitsvertrag nicht verletzt habe. Zudem verfolge er keine politische Tendenz. Nach Ansicht des Gerichts gab es ebenfalls keine ausreichenden Gründe, das Arbeitsverhältnis gegen die Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

Der Mitarbeiter hatte seine Ansichten nicht an seinem Arbeitsplatz kundgetan, sondern in einem sozialen Netzwerk. Dies ist ein privater Raum und so hat jeder Mitarbeiter das Recht, sich dort politisch zu äußern. Hier gibt es allerdings auch Ausnahmen.

Die engen Grenzen im Öffentlichen Dienst
In einem weiteren Fall, bei dem die sozialen Netzwerke bei der Meinungsfreiheit am Arbeitsplatz eine Rolle spielen, steht die Erzieherin einer Kita im Fokus. Sie ist die Freundin eines vermeintlichen Rechtsextremen aus Halle. Der Elternrat der Kita, für die die Erzieherin arbeitet, hat einen offenen Brief geschrieben und sich gegen eine Weiterbeschäftigung der Frau ausgesprochen. Die Eltern werfen ihr vor, sich in sozialen Netzwerken offen über den Rechtsextremismus geäußert zu haben. Sie sind der Meinung, dass die Betreuung von Kindern ein besonders verantwortungsvoller Beruf ist. Dementsprechend sind hier auch die politischen Ansichten von Belang. Bei den Eltern besteht die begründete Angst, dass die Erzieherin nicht integer ist. Die Kündigung wurde also ausgesprochen.

Hier war das Gericht aufseiten des Elternrats. Rein arbeitsrechtlich ist die Erziehung von Kindern ein sehr sensibler Bereich. Wie Kirchen und Schulen, so sind auch Kitas und Kindergärten sogenannte Tendenzbetriebe. Deren Zweck ist ideeller und nicht ökonomischer Natur. Handelt es sich um einen Tendenzbetrieb, dann kann der Arbeitgeber verlangen, dass sich seine Mitarbeiter im beruflichen sowie im privaten Rahmen mit Gesinnungen, Umgangsformen und Weltanschauungen zurückhalten. Diese engen Grenzen gelten zudem für alle Beschäftigten, die im Öffentlichen Dienst oder als Betriebsräte tätig sind.

Jeder hat das Recht, seine politische Meinung kundzutun, sei es in den sozialen Medien, im Rahmen einer Demonstration oder nur als Aufkleber an der Heckscheibe des Autos. Am Arbeitsplatz, wo viele Menschen mit noch mehr unterschiedlichen Meinungen jeden Tag zusammenarbeiten, darf jeder sagen, was er möchte, solange das Ansehen des Unternehmens nicht darunter leidet.

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