Woher weiss ein Haar, dass es aufhören soll zu wachsen?

Warum werden unsere Haare am Kopf eigentlich immer länger, während die übrigen Körperhaare einen natürlichen Wachstums-Stopp eingebaut haben? Und was passiert, wenn man ein Haar vom Bein an den Kopf verpflanzt? Eckart von Hirschhausen hat sich – weltweit wohl als erster Mensch – diesem Selbsttest unterzogen.

Dass der Mensch vom Affen abstammt zeigt sich nirgendwo deutlicher als an unserer Körperbehaarung. Der wichtigste Unterschied: Affen müssen nie zum Frisör. Und dennoch stolpert keine Affendame über ein ungeschnittenes Pony, kein Mensch über Achselhaare, die plötzlich bis zum Boden reichen. Offenbar wissen Haare, wie lang sie werden dürfen. Aber woher?
Haar sind dumm

Haare sind streng genommen etwas dumm. Sie bestehen aus Keratin, das ist die Bausubstanz der Fingernägel, des Gefieders der Vögel und der Panzer von Eidechsen. Ein Haar kann selber gar nicht wissen, wie lang es ist. Es empfindet nichts. Deshalb tut auch Haare schneiden nicht weh. Und egal, was die Schampoowerbung behauptet: Es ist nicht lebendig!

Wir haben bereits im Mutterleib fünf Millionen Anlagen zur Haarbildung. Die werden zum Glück nie alle gleichzeitig aktiv. Das ist ihr Trick. Würden sie alle synchron Haare bilden, dann würden die Haare auch synchron ausfallen. Dann würden wir uns mausern wie ein Vogel und Frisöre wären arbeitslos. Stattdessen durchlebt jede Haarwurzel individuell drei Phasen: Wachstum, Übergang und Ruhe.
Täglich 30 Meter Haare

Ein Kopfhaar wächst über zwei bis sechs Jahre einen Zentimeter im Monat, also insgesamt vielleicht 70 Zentimeter. Jedes einzelne Haar wächst am Tag einen Drittel Millimeter. Das macht als Gesamtwachstumsleistung an einem Tag 30 Meter!

Zum Glück verteilt sich diese extreme Produktivität auf der unserer Haut auf viele Haare und auf verschiedene Hautregionen: So wird ja ein Beinhaar nie so lang wie ein Kopfhaar. Warum eigentlich? Was passiert, wenn man ein Beinhaar an den Kopf verpflanzt – von der Wade an die Stirn?
Eine einmalige Operation

Tatsächlich werden Kopfhaare manchmal in den Schambereich transplantiert, um dort fehlendes Schamhaar auszugleichen. Und dabei lernt man etwas spannendes über das Wachstum von Haaren: Die Haare nehmen ihre genetischen Wurzeln mit. Und wachsen länger, als im Schambereich eigentlich vorgesehen.

Umgekehrt: Ein Beinhaar, das an die Stirn verpflanzt wurde, ist vier Wochen später ausgefallen. Es bleibt also dabei: Da, wo man die Haare nicht will, muss man sie trimmen, und da wo man sie gerne hätte, wachsen sie nicht länger als ihre genetische Programmierung. Der Wachstumsrhythmus ist genetisch festgelegt, er steckt in seiner Wurzel. Haare wachsen nicht auf eine bestimmte Länge, sondern über eine bestimmte Zeit. Wenn der Zyklus vorbei ist, dann fallen sie aus.