Doomscroller - so verwandeln sich schlechte Nachrichten in Stress

Artikel von Tommy Weber am 8. März 2021 um 17:37 Uhr im Forum Wissenschaft & Forschung - Kategorie: Ratgeber & Wissen

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Doomscroller - so verwandeln sich schlechte Nachrichten in Stress

8. März 2021     Kategorie: Ratgeber & Wissen
Im Moment haben viele Menschen den Eindruck, als würde der Welt eine Apokalypse drohen. Schlechte Nachrichten, wohin man schaut und keine Aussicht darauf, dass es sich in absehbarer Zeit zum Guten ändert. Vor allem diejenigen, die nicht damit aufhören können, die Nachrichten auf ihrem Smartphone zu lesen, geraten dabei schnell in Stress. Für diejenigen, die nicht aufhören können, die schlechten Nachrichten zu lesen, gibt es einen besonderen Ausdruck: Doomscroller.

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Schlechte Nachrichten, die nie enden
Bürgerkriege und Hungersnöte, steigende Inzidenzen und der Klimawandel – wer sein Smartphone einschaltet, tritt eine wahre Lawine aus schlechten Nachrichten los. Ein schrecklicher Beitrag folgt dem nächsten, die Algorithmen empfehlen immer neue Hiobsbotschaften und hinter jedem Link wartet ein neuer Artikel, der noch mehr Angst macht. Alle, die davon mitgerissen werden und die nicht mehr aufhören können, nach immer neuen Schreckensnachrichten zu scrollen, werden zu einem sogenannten Doomscroller. Das Wort ist eine Zusammensetzung aus Doom, was so viel wie nahender Untergang bedeutet und Scrolling, jene bekannte Wischbewegung, die alle machen, die ihr Smartphone bedienen. Zusammen ergeben die beiden Worte eine ständige Suche und den andauernden Konsum von schlechten, deprimierenden Nachrichten.

Kein neues Verhalten
Das Wort Doomscroller macht aktuell in der Corona-Krise Karriere. Neu ist dieses Verhalten nach Ansicht von Cyberpsychologen allerdings nicht. Es ist der Instinkt des Menschen, der ihn immer wieder nach negativen Nachrichten suchen lässt. Schließlich kann sich nur derjenige vor Gefahren schützen, der weiß, welche Gefahren drohen. Dieses Verhalten gab es schon in der Steinzeit, bereits damals haben die Menschen nach Schutzmechanismen gesucht und sie auch entwickelt. Das, was bei den Menschen in der Steinzeit normal war, macht die Menschen von heute jedoch krank. Die ständige Suche nach negativen Schlagzeilen hat einen Effekt, der auf Dauer der Gesundheit schadet. Im digitalen Zeitalter ist es nicht mehr sinnvoll, seinen Instinkten zu folgen.

Eine permanente Überlastung
Doomscroller schaden ihrer Gesundheit, weil die stetige Suche nach schlechten Nachrichten langfristig zu einer sogenannten kognitiven Überlastung führt. Viele Menschen merken das recht schnell und verordnen sich dann die schlechten Nachrichten nur noch häppchenweise. Genauer gesagt: Sie schauen zwar nach wie vor auf ihr Smartphone, aber sie lesen nur noch vereinzelte Artikel. Diese „Häppchenmentalität“ macht leider überhaupt keinen Sinn, denn das Gehirn ist längst darauf programmiert, nur nach negativen Meldungen zu suchen. Dass der zu große Konsum von schlechten Nachrichten krankmachenden Stress verursacht, zeigt auch eine Studie der University of California, die bereits im Jahre 2013 erstellt wurde. Im Rahmen dieser Studie wurden die Auswirkungen der Berichterstattung über das Attentat beim Boston-Marathon untersucht.

Ein erstaunliches Ergebnis
Die Studie aus den USA kam zu einem erstaunlichen Ergebnis. Menschen, die sich in der Woche nach dem Attentat jeden Tag sechs oder sogar mehr Stunden mit der Berichterstattung beschäftigt und auseinandergesetzt haben, fühlten sich deutlich gestresster als diejenigen, die den Anschlag live miterlebt haben. In einer anderen Studie, die von der Harvard School of Public Health erstellt wurde, berichtete rund ein Viertel der mehr als 2500 befragten Amerikaner über starke Stresssymptome auch noch im nächsten Monat, allein durch den Konsum der Nachrichten. Warum können viele Menschen ihr Smartphone nicht einfach mal aus der Hand legen und die schlechten Nachrichten für eine Weile vergessen? Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. So ist die wischende Handbewegung beim Scrollen für die Menschen schon so etwas wie Routine, es ist eine unbewusste Tätigkeit geworden, wie Sozialwissenschaftler herausgefunden haben.

Sind die sozialen Medien schuld am Stress?
Social-Media-Plattformen, wie beispielsweise Facebook, programmieren Algorithmen, die dafür sorgen, dass die Nutzer und Nutzerinnen so lange wie möglich auf ihren Seiten bleiben. So etwas lässt sich am besten bewerkstelligen, wenn sie für ausreichend Hype und Empörung sorgen. Es sind nun einmal die schrecklichen Nachrichten, die die Mehrzahl der Menschen polarisieren und fesseln. Viele fühlen sich dazu noch permanent unter Druck gesetzt, immer gut informiert zu sein, denn es wird erwartet, dass jeder sofort auf Neuigkeiten reagiert. Wer nicht auf den Nachrichtenseiten unterwegs ist, hat ständig das Gefühl, er verpasst etwas sehr Wichtiges. Trotzdem sind die Nachrichten, die eben noch so brandaktuell waren, sehr schnell schon wieder überholt. Dies ist auch der Grund, warum die Corona-Krise das Doomscrolling noch verstärkt. Schon allein bei den ständigen Pressekonferenzen ist es unmöglich geworden, immer auf dem Laufenden zu bleiben.

Ein neues Verhalten lernen
Wer sich aus der Doomscrolling-Falle befreien und dem Stress entkommen möchte, muss ein anderes Verhalten in Bezug auf sein Smartphone lernen. So ist es beispielsweise schon sehr hilfreich, dass Smartphone am Morgen für eine Stunde nicht einzuschalten. Wenn das Gerät dann eingeschaltet ist, sollte jeder genau überlegen, welche Nutzung jetzt die beste ist. Auch für dieses Verhalten gibt es einen Ausdruck und der heißt „Gleefreshing“, was so viel wie „entzücken neu laden“ bedeutet. Das Ziel von „Gleefreshing“ ist es, nur nach positiven Nachrichten zu suchen und sie zu lesen. Sinnvoll kann es zudem sein, bestimmte Apps nur zeitlich begrenzt zu nutzen.

Angst ist kein guter Ratgeber
Die gefährlichen Entwicklungen in der Corona-Pandemie der Bevölkerung zu verschweigen, nur um deren psychische Gesundheit nicht zu gefährden, ist natürlich auch keine Lösung. Aber auf der anderen Seite ist Angst ebenfalls kein besonders guter Ratgeber. Hier sind besonders die Medien gefragt, sie sollten in den Schlagzeilen und auf den Titelblättern auch wieder positive Nachrichten verkünden. Auf diese Weise kann der Leser auf einen Blick sehen, dass nicht nur Katastrophen die Nachrichten beherrschen. Leider bringt dies aber weniger Leser. Sicher hat es jeder selbst in der Hand, welche Nachrichten er konsumiert und welche nicht. Information ist die eine Sache, Angst schüren eine andere. Das Beste ist es, sich nüchtern mit den Sachverhalten auseinanderzusetzen und das Ganze wirklich nur als Information und als nichts anderes zu sehen. Morgen sind die Informationen von heute längst Geschichte und es warten neue Meldungen.

Nichts ist so alt wie eine Zeitung von gestern – sagt zumindest ein altes Sprichwort im Journalismus. Es bringt nichts, sich über etwas aufzuregen, was morgen nicht mehr aktuell ist. Doomscrolling macht Stress und irgendwann auch Angst und wer will das schon? Sich einmal am Tag ganz gezielt zu informieren, reicht völlig aus, um mitreden zu können, mehr braucht es nicht.

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Bildquelle: © Depositphotos.com / PheelingsMedia
 
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Kommentare

#2 8. März 2021
wer nicht so viel nachrichten lesen will gibts hier was in kurzform:
Nachrichtenleicht - Startseite

ansonsten gute nachrichten lesen
Good News
Gute Nachrichten braucht der Mensch!
Positive Nachrichten sind gute Nachrichten
Gute Nachrichten - aktuelle Themen & Nachrichten - Süddeutsche.de
Squirrel News - News
Warum positive Nachrichten so wichtig für uns sind


man muss ja auch nicht dauern nachrichten lesen. einmal die woche sollte aber schon sein.

das problem mit dem handy is das unendlich scrollen. wenn man wirklich zur nächsten seite weiterklicken muss merkt man erst wie viel man schon angesehen hat. sowas wollen die firmen klar verhindern.
 
#3 18. April 2021
Naja jede Woche nur einmal Nachrichten lesen ist wohl auch nicht förderlich. Wenn dann würde ich empfehlen Nachrichten zu lesen, die abseits des eigenen Interesses sind. Also damit man auch mitbekommt was außerhalt der eigenen Twitterblase oder des eigenen Timeline abgeht.
Vorzugsweise auch Nachrichten, die ohne Algorithmus daherkommen. Also weg vom Internet, hin zu Zeitungen oder zumindest Fernsehen. So wird das eigene Spektrum erweitert.
Dinge, die ich nicht verändern kann, nehme ich mir nicht zu Herzen. Das kostet nur Energie und Nerven.