Lobby: EU-Kommission unterdrückt Studie zu Raubkopien

Artikel von Jonas Hubertus am 21. September 2017 um 20:05 Uhr im Forum Politik, Umwelt, Gesellschaft - Kategorie: Politik & Recht

Lobby: EU-Kommission unterdrückt Studie zu Raubkopien

21. September 2017     Kategorie: Politik & Recht
Eine Studie im Auftrag der EU-Kommission stellte fest, dass die Beschaffung und Verwendung von Raubkopien fast keine Wirkung auf den kostenpflichtigen Erwerb geschützter Inhalte hat. Aufgrund der aktuellen Copyright-Debatte über neue Upload-Filter hält die Europäische Kommission ihre Studie weiterhin unter Verschluss.


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Die EU-Kommission plant das Urheberrecht mit neuen Upload-Filtern zu verschärfen. Doch eine 2015 in ihrem Auftrag erstellte wissenschaftliche Studie gibt dazu keinen Anlass. Bei der Untersuchung von Verdrängungseffekten durch illegale Downloads bei Filmen, Musik, Büchern und Computerspielen seien "keine tragfähigen statistischen Beweise für die Verdrängung von Verkäufen durch Urheberrechtsverletzung" gefunden worden, heißt es in der Zusammenfassung der Studie.


Einfluss von Piraterie auf den Verkauf
Die EU-Kommission hat die Studie bisher unter der Decke gehalten. Bekannt wurde sie nun aufgrund von Nachforschungen der Europaabgeordneten Julia Reda (Piraten/Grüne). Nachdem sie einen Antrag auf Informationszugang gestellt hatte, spielten ihr Mitarbeiter der Kommission die Studie (PDF) zu, die dann Netzpolitik.org veröffentlicht hat.

Die Frage, welche Wirkung der Konsum illegal kopierter Inhalte auf deren legalen Erwerb hat, bestimmt die Richtung der europäischen Urheberrechtspolitik. Festgestellt wird diese Wirkung über die so genannte Verdrängungs-Rate. Die 300-seitige Studie der niederländischen Beratungsfirma Ecorys untersuchte hierfür die Bereiche Musik, Film, Bücher und Games nach sechs Kriterien und befragte online rund 30.000 Nutzer in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Polen, Spanien und Schweden.

Verdrängungseffekt bei Blockbustern
Die Studie stellt dennoch verschiedene Verdrängungseffekte fest: Im Bereich der Filme und Serien führen Raubkopien zu einer negativen Verdrängungsrate von 27 Prozent, wobei diese vor allem im Bereich der Blockbuster liegt. Das bedeutet, dass bei 100 illegalen Streams oder Downloads 27 legaler Erwerb unterblieben. Im Bereich Bücher stellten die Studienautoren eine negative Rate von 38 Prozent fest, wobei sie allerdings die absolute Zahl der illegalen Downloads als "zu vernachlässigen" und die Rate daher als statistisch unbedeutend bezeichnen.

Bei Games ergibt sich sogar ein positiven Effekt von 24 Prozent, bei 100 illegale Downloads werden 24 neue Käufer motiviert. Die Raubkopien führten damit zu einer deutlichen Umsatzsteigerung. Dabei spielt die Strategie der Spielindustrie eine wichtige Rolle: der Kauf eines Spiels wird mit Extrapunkten oder Extralevels belohnt, ebenso ist häufig der Multiplayer-Zugang übers Internet nicht möglich. (PlayStation: Marktführer dank Raubkopierern )

Bei Musik sieht die Studie eine Verdrängungsrate von 0 Prozent. Allerdings räumen die Autoren der Studie auch ein, dass ihre Ergebnisse "nicht unbedingt bedeuten, dass Piraterie keinen Effekt hat, sondern dass die statistische Analyse diesen Effekt nicht mit hinreichender Verlässlichkeit beweist". (Studie: Youtube reduziert Nutzung von Piraterie-Seiten )


Der Urheberrechtsexperte Leonhard Dobusch kommt zu dem Schluss, dass die Studie sich nicht dafür hernehmen lässt, strengere Maßnahmen wie etwa den jetzt geplanten Upload-Filter zu rechtfertigen.

Deutschland kritisiert den Entwurf:
Das Bundesjustizministerium schlägt vor, dass Plattformen verhindern müssen, wenn rechtswidrige Inhalte wieder gepostet werden. Die damit verbundenen Uploadfilter haben Auswirkungen auf Meinungsfreiheit und können als Zensurinfrastruktur missbraucht werden.

Quelle: EU-Kommission versteckte unbequeme Piraterie-Studie zwei Jahre vor der Öffentlichkeit



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